Nudging ist eine Strategie, die Menschen zu bestimmten Entscheidungen veranlassen soll. Doch inwiefern ist dies möglich? Und ab welchem Zeitpunkt spricht man von Manipulation?
Der Begriff „Nudging“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Anschubsen“. Dabei steckt hinter dem Wort weit mehr als eine simple Begriffserklärung. So umfasst Nudging ein gesamtes Konzept, das der normativen Verhaltensökonomie entstammt und darauf abzielt, Menschen in ihren Entscheidungen bewusst zu beeinflussen.
Der Grundgedanke hinter dem Konzept
Die Nudging-Strategie geht auf die beiden US-Amerikaner Richard Thaler (Wirtschaftswissenschaftler) und Cass Sunstein (Rechtswissenschaftler) zurück, die ihre Ideen und Ansätze 2008 in ihrem Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ festhielten. Ihr grundlegender Ansatz basiert dabei auf der Annahme, dass sich die Menschheit nicht rational verhält. Sie gingen außerdem davon aus, dass sich Menschen zumeist schwertun, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Genau hier setzt die Nudging-Strategie an, indem sie Eingriff auf den individuellen Entscheidungsprozess nimmt.
Was genau sind Nudges?
Nudges werden je nach Anwendungsgebiet und Ziel in unterschiedlichen Formen eingesetzt. Ihnen gleich ist, dass es sich dabei stets um Eingriffe in das individuelle Denkvermögen handelt, die zwar ein Lenken „in die entsprechende Richtung“ beabsichtigen, die Entscheidungsfreiheit dabei jedoch offenlassen. Das bedeutet, dass Gesetze, Verbote oder Gebote nicht unter den Begriff „Nudging“ fallen.
Digital Nudging
Beim Digital Nudging wird das Design von Elementen auf Benutzeroberflächen wie Websites oder Apps spezifisch angepasst. Ziel ist es dabei, das Verhalten von Usern beim Internetsurfen sowie deren Klicks indirekt zu beeinflussen. Man denke an die Opt-In-Option bei Newslettern oder an die Verlinkung „Bestseller“ in Onlineshops, über die Besucher mit nur einem Klick alle Produkte dieser Kategorie sehen.
Zu Digital Nudges gehören u.a. auch:
Standardeinstellungen/Defaults (Drucker druckt automatisch doppelseitig, um Papier zu sparen)
Notifications (im Benutzerkonto wird die Anzahl der Waren im Warenkorb hochgestellt angezeigt)
Framing (bestimmte Elemente werden mittels Rahmen hervorgehoben und verleiten zum Klicken)
Feedback (automatische Fehlermeldungen bei falsch ausgefüllten Formularen)
Alltägliches Nudging
Auch im Alltag sind wir nahezu ständig mit Nudges konfrontiert. So sind teurere Lebensmittel bzw. Markenprodukte im Supermarkt auf Augenhöhe platziert, sodass der Konsument angeregt ist, zu eben diesen Produkten zu greifen.
Ein weiteres Beispiel sind Schulkantinen. Um die Schüler zu gesundem Essen zu motivieren, werden Obst und Gemüse besonders sichtbar platziert und schmackhaft präsentiert.
Bekannt für seinen simplen, aber effektiven Nudge ist zudem der Flughafen Schiphol in Amsterdam. Dort ziert eine aufgeklebte Fliege das Urinal im Männer-WC. Das Ziel dahinter? Die Treffsicherheit der Herrschaften zu erhöhen. Ein durchgeführter Test bestätigte die Wirksamkeit dieser Strategie. So landete bis zu 80 % weniger Urin neben dem Urinal.
Politisches Nudging
Gerade in der Politik sind Mittel, die der Beeinflussung oder gar Manipulation dienen, besonders interessant. Als klassisches Beispiel kann hier die auf den meisten Produkten angegebene Nährwert-Ampel (Nutriscore) genannt werden. Seit 2017 gibt dieses Ampelsystem Aufschluss über die Nährwertbewertung des jeweiligen Produktes. Konsumenten werden dadurch in Richtung „gesundes Essen“ geschubst.
Ebenso fallen abschreckende Fotos auf Zigarettenverpackungen in die Kategorie „Nudges“. Durch sie sollen Raucher dazu gebracht werden, auf den Glimmstängel zu verzichten.
Ein besonders kontroverses Thema in Bezug auf Nudging sind Organspenden. Während Bürger in Staaten wie Dänemark oder Deutschland mittels Opt-In konkret ihre Zustimmung als Organspender erteilen müssen, gilt man in Österreich oder Belgien automatisch als solcher. Nur wer sich ausdrücklich (Opt-Out) dagegen erklärt, ist kein Organspender mehr.
Ist Nudging manipulativ?
Ob es sich bei Nudging um eine gezielte Manipulation oder um sinnvolle Anstöße handelt, sei dahingestellt. In den meisten Fällen ist die Beurteilung sicher individuell. Außer Zweifel steht jedoch, dass Nudging eine bewährte Strategie ist, das Verhalten der Menschen durch psychologische Tricks auf sprachlicher, physischer und emotionaler Ebene zu beeinflussen.