In Italien wurde die Produktion von Laborfleisch verboten. Wissenschaftler versuchen, mithilfe modernster Technologien aus der Gewebezüchtung ähnlich komplexe Gewebestrukturen für kultiviertes Fleisch zu erzielen. In Deutschland versuchen viele Unternehmen Zulassungen für die Produktion von Laborfleisch zu bekommen, doch die Entscheidungsträger verhalten sich zurückhaltend. Dadurch wandern Unternehmen in Länder aus, die die Produktion erlauben. Wie schauen die Entwicklungen derzeit aus?
Meinungen sind kontrovers
Gleich vorweg: Die Food-Revolution, ausgelöst durch die Produktion von Fleisch im Labor, wird kontrovers diskutiert. Manche Menschen sehen in den neuen Food-Technologien riesige Chancen für den Tier- und Klimaschutz. Andere haben ethische Bedenken und sind der Meinung, „echtes“ Fleisch gehöre einfach zu unserer Kultur dazu.
Was versteht man unter „Clean Meat“?
Laborfleisch wird unter anderem auch als „Clean Meat“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um künstliches Fleisch, das im Labor aus Zellkulturen gewonnen wird. In der Schweiz konnte beispielsweise innerhalb von 25 Tagen ein armdickes Steak von 50 Zentimeter Länge im Bioreaktor gezüchtet werden. „In-Vitro-Steak“ wird dieses Fleischstück auch bezeichnet.
Vor- und Nachteile von Laborfleisch
Im Jahr 2023 wurde eine Umfrage zu den Vor- und Nachteilen von Laborfleisch in Deutschland durchgeführt. Die folgende Statistik zeigt, dass es 74 % der Befragten wichtig ist, Fleischalternativen zu finden, die Tierleid vermeiden können. Weitere 63 % sind überzeugt, dass auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft das künstliche Fleisch einen wichtigen Beitrag leisten könne. Auch weitere 62 % der Befragten sind überzeugt, dass Laborfleisch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne. 56 % der Befragten gaben an, dass künstliches Fleisch innovativ sei und damit eine gute Alternative zu natürlichem Fleisch herstelle.
Die Fleischproduktion ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Landwirtschaft, gaben 79 % der Befragten als wichtigsten Nachteil bekannt. Gefolgt von dem Argument, dass natürliches Fleisch zu unserer Ess-Kultur gehört und deshalb auch nicht ersetzt werden sollte. Künstliches Fleisch sei verwerflich, da es im Labor hergestellt wird und somit kein natürliches Fleisch ist, gaben 56 % der Befragten bekannt.
Gibt es Konsumenten für das Laborfleisch?
In Österreich wurden Konsumenten befragt, ob sie sich grundsätzlich vorstellen könnten, Fleisch, das im Labor produziert wurde, zu essen. Dabei antworteten 57,3 % der Befragten mit „auf keinen Fall“ sowie mit „eher weniger“ wie die folgende Statistik zeigt.
Wird die Zulassung in Deutschland erlaubt?
Neuartige Lebensmittel müssen in Deutschland von einer Behörde zugelassen werden. Das dient dem Schutz der Verbraucher vor eventuellen Risiken. Geregelt wird die Produktion von Zellfleisch in der „Novel-Food-Verordnung“. Derzeit sind die europäischen Hürden für eine Zulassung von Zellfleisch sehr hoch. Die Genehmigung könne Jahre dauern. Kritiker befürchten, dass der Zug in Deutschland bereits abgefahren sei und sich Unternehmen die Zulassung und damit auch die Möglichkeit weltweit zu liefern, in anderen Ländern holen.
Deutsche Unternehmen wandern ab
In den USA oder Singapur bekommen Unternehmen die Zulassung zur Produktion von Laborfleisch wesentlich schneller. Das ist auch der Grund, warum mehrere deutsche Unternehmen ihren Firmenstandort bereits verlegten. Das erste In-Vitro-Fleischprodukt der Welt – die Chickennuggets aus dem Bioreaktor, haben in Singapur bereits eine Zulassung bekommen. Auch Milchproteine werden dort gezüchtet, die verschiedene Käsesorten herstellen können, ohne dass je eine Kuh daran beteiligt war. Immer mehr Länder investieren in die Erforschung und Entwicklung von neuen Lebensmitteln. Innovationen in der Biotechnologie sind das neue Thema, mit dem unter anderem auch Präsident Joe Biden in den USA punkten möchte.
Italien verbietet den Verkauf und die Einfuhr von Laborfleisch
Um das kulinarische Erbe zu schützen, stimmte der italienische Senat für ein Verbot von Laborfleisch. Auch die heimische Lebensmittelindustrie sollte durch dieses Verbot geschützt werden. Damit ist Italien das erste Land der Welt, das sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Wer sich nicht an das Gesetz hält, muss mit Geldstrafen zwischen 10.000 und 60.000 Euro rechnen. Italien hat sogar einen Antrag auf Anerkennung der traditionellen italienischen Küche als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe gestellt. Die Entscheidung wird im Dezember 2025 erwartet.
Werbung für In-Vitro-Fleisch
„Stellen Sie sich vor, Sie beißen genüsslich in einen Burger und das Rind, aus dessen Fleisch der Patty hergestellt wurde, steht noch munter auf der Wiese!“ Mit solchen oder ähnlichen Slogans wird für In-Vitro-Fleisch geworben. Manche ekeln sich bei dieser Vorstellung, andere sehen darin das Ende der Tierschlachtungen zum Wohle des Menschen. Doch das Tierleid ist noch lange nicht zu Ende: Die Nährlösung, auf der sich die Stammzellen vermehren, besteht aus Kälberserum. Dabei handelt es sich um das Herzblut aus den Föten schwangerer Kühe. Das Kalb stirbt nach der Entnahme und das Muttertier muss geschlachtet werden.
Investitionen in Forschung und Entwicklung
Tyson Foods investiert derzeit auch Unsummen in die Entwicklung von Laborfleisch. Der Wandel zum ethisch korrekten Fleischverzehr sollte endlich möglich sein. Ziel ist es, dass das Fleisch aus der Retorte bald günstiger als jenes ist, das wir in den Kühlregalen der Supermärkte bekommen. Es macht dabei wohl keinen Unterschied, wie das Geld verdient wird. Ob Tierschlachtung oder In-Vitro-Fleisch, Hauptsache es klingelt in der Kasse.
Wie gehen die Entwicklungen weiter?
Die Forschung läuft auf Hochtouren. Ob Italien recht hat mit dem Verbot und eine wichtige Vorreiter-Rolle einnimmt, der die EU folgen wird, ist noch unklar. Sicher ist, dass die Food-Industrie sich bereits darauf vorbereitet, Fleisch aus der Retorte auf unsere Teller zu bringen.