Die EU-Mitgliedsstaaten sind zunehmend verschuldet. Was bedeutet das? Und wie will die EU dieses Problem lösen?
Kurzer Faktencheck: Im dritten Quartal 2023 erreichte Frankreich mit etwa 3,09 Billionen Euro die höchste absolute Staatsverschuldung in der Europäischen Union. Italien folgte dicht dahinter mit einer Verschuldung von ungefähr 2,84 Billionen Euro, obwohl seine Wirtschaftsleistung deutlich geringer war als die von Frankreich. Im Gegensatz dazu wies Estland im gleichen Quartal mit nur etwa 6,8 Milliarden Euro die niedrigste Staatsverschuldung innerhalb der EU auf.
EU-Schuldenquote im dritten Quartal 2023 etwas niedriger
Trotz der wirtschaftlichen Turbulenzen aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der anhaltenden Belastungen im internationalen Handel durch die globale Corona-Pandemie verringerte sich die Schuldenquote der Europäischen Union im dritten Quartal 2023 sowohl im Vergleich zum Vorquartal (Q2 2023) als auch zum Vorjahresquartal (Q3 2022) deutlich.
Die internationale Banken- und Finanzkrise von 2008 sowie die Corona-Pandemie, der Brexit oder der Russland-Ukraine-Krieg haben gezeigt, wie stark und langfristig solche Ereignisse die nationalen Haushalte beeinflussen können.
Was eine Staatsverschuldung bedeutet und warum ihre Verwaltung so komplex ist
Der Begriff „Staatsverschuldung“ bezieht sich auf die Situation, in der ein Staat mehr Geld ausgibt, als er durch Einnahmen wie Steuern und Gebühren einnimmt. Dies führt dazu, dass der Staat sich Geld leihen muss, um seine Ausgaben zu decken. Die Summe der ausstehenden Schulden eines Staates wird dann als Staatsverschuldung bezeichnet.
Staatsverschuldung kann auf verschiedene Weisen entstehen, etwa durch die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, Sozialprogrammen, Verteidigungsausgaben und anderen staatlichen Aktivitäten. Wenn die Verschuldung eines Staates über einen längeren Zeitraum anhält und nicht angemessen verwaltet wird, kann dies zu wirtschaftlichen Problemen führen. So zum Beispiel zu höheren Zinszahlungen, einer Abwertung der Währung oder sogar einer Staatskrise.
Die Verwaltung der Staatsverschuldung ist also eine recht komplexe Angelegenheit. Sie bedarf einer sorgfältigen Haushaltsführung, einer angemessenen Besteuerungspolitik und der Kontrolle der öffentlichen Ausgaben. So soll sichergestellt werden können, dass die Schuldenlast auf einem nachhaltigen Niveau bleibt.
Trotz gelockerter Defizitkriterien sind Schulden ein Problem
Die Europäische Kommission reagierte bereits am 20. März 2020 auf die aufkommende Krise durch die Corona-Pandemie. Und zwar indem sie die Defizitkriterien (Konvergenzkriterien, Maastricht-Kriterien) außer Kraft setzte. EU-Staaten durften somit die maximal erlaubte jährliche Neuverschuldung von höchstens 3 % des nationalen BIP und die Begrenzung der nationalen Schuldenquote auf unter 60 % des jeweiligen BIP überschreiten.
Staatsverschuldung Italiens könnte bis 2040 auf 180 % steigen
Laut den neuesten Daten von Eurostat, der EU-Statistikbehörde, überschreiten 13 der 27 EU-Staaten die festgelegte Grenze, zum Teil erheblich. Österreich liegt mit einer Schuldenquote von 78,2 % nahe am EU-weiten Durchschnitt von 82,6 %. Deutschland hat eine Schuldenquote von 64,8 %.
Ein Bericht der OECD deutete darauf hin, dass die Staatsverschuldung Italiens bis 2040 auf 180 % der Wirtschaftsleistung steigen könnte und auch in Frankreich ist die Verschuldung zuletzt deutlich angestiegen.
So will die EU gegen das Schuldenproblem vorgehen
Die herausfordernden Länder für die EU sind Italien, Frankreich und Spanien. Für sie und andere Staaten mit Schulden über 90 % des BIPs ist das Ziel eine jährliche Reduzierung der Verschuldung um 1 %. Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 % des BIPs sollen im Durchschnitt pro Jahr um 0,5 % abbauen.
Die Regelung für das Haushaltsdefizit, also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts im Verhältnis zum BIP, ist etwas strikter. Wenn das Defizit über 3 % liegt, soll in Zeiten des Wirtschaftswachstums ein Puffer von 1,5 % aufgebaut werden, um für Krisenzeiten gewappnet zu sein. Nach vorläufigen Eurostat-Daten gelten acht Mitgliedsstaaten als übermäßig verschuldet.
Die festgelegten Obergrenzen sind jedoch wahrscheinlich auch nicht mehr als Richtwerte. Es ist nicht zwingend vorgesehen, den Staatsverschuldungsstand innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens von üblicherweise vier Jahren auf unter 60 % des BIPs zu senken. Vielmehr soll die Verschuldung auf einen „plausiblen Abwärtspfad“ gebracht werden. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten die Länder weitere drei Jahre Zeit erhalten.
Ziel ist, eine „gezieltere Entschuldung“
Das Ziel dieser Regelung ist es, stark verschuldeten Ländern eine gezieltere Entschuldung zu ermöglichen.
Nach der informellen Einigung müssen die EU-Staaten und das Parlament noch offiziell zustimmen, was normalerweise eine reine Formalitätssache ist. Die ersten nationalen Pläne sollen im September 2024 vorgelegt werden.
Es bleibt jedoch unklar, ob die Verschuldungsstände der EU-Staaten so wirklich nachhaltig sinken werden und zusätzliche (Sonder-)Regelungen nicht komplizierter als ursprünglich gedacht sind.