Seit dem 1. April 2024 ist das umstrittene Cannabis-Gesetz in Deutschland in Kraft, das den Besitz und Anbau von Cannabis unter bestimmten Bedingungen für Erwachsene legalisiert. Was das konkret bedeutet und wie sinnvoll das Gesetz ist? Fakten.org liefert die Antworten darauf.
Begeisterte Kiffer jubeln, Politiker hoffen und Experten warnen. Mit dem neuen Cannabis-Gesetz (CanG) ist es Erwachsenen unter gewissen Umständen nun erlaubt, Cannabis zu besitzen, anzubauen und zu konsumieren. Die deutsche Regierungskoalition, die das kontroverse Gesetz nach langen Diskussionen verabschiedete, erhofft sich dadurch, den illegalen Handel und Konsum über den Schwarzmarkt reduzieren und die organisierte Kriminalität bekämpfen zu können.
Fakten zum CanG
Cannabis wurde aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen, was bedeutet, dass es nicht mehr als verbotene Substanz betrachtet wird.
Erwachsene dürfen in Deutschland somit bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit mit sich führen. Zu Hause dürfen sie bis zu 50 Gramm Cannabis und bis zu 3 blühende Cannabispflanzen pro Person besitzen. Wenn die erlaubte Menge überschritten wird (5 Gramm unterwegs, 10 Gramm zu Hause), wird dies als Ordnungswidrigkeit angesehen. Größere Mengen können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Erwachsene dürfen Cannabissamen außerdem aus EU-Mitgliedstaaten für den Eigenanbau importieren oder online bestellen.
In Bezug auf den öffentlichen Konsum gibt es klare Einschränkungen: Das Kiffen ist in einem 100-Meter-Radius um Schulen, Kitas, Spielplätze und öffentliche Sportstätten verboten. In Fußgängerzonen ist der Konsum zwischen 7 und 20 Uhr untersagt.
Das Gesetz ermöglicht auch die Löschung früherer Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus von bis zu 25 Gramm Cannabis oder maximal 3 Pflanzen aus dem Bundeszentralregister.
Handel bleibt strafbar – Verkauf im Handel wird getestet
Der Handel mit Cannabis bleibt weiterhin strafbar. Die Strafen für den Verkauf an Minderjährige wurden sogar noch verschärft. Angedacht ist jedoch, kommerzielle Verkaufsaktivitäten in einem separaten Gesetz zu regeln. In Modellversuchen will man beispielsweise den Verkauf in Apotheken und staatlich lizenzierten Geschäften testen.
Experten warnen
Trotz der Verabschiedung des Gesetzes gab es erheblichen Widerstand, da Bedenken hinsichtlich der Gesundheitsrisiken, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene, geäußert wurden. Einige befürchten auch eine Überforderung der Justiz und der Polizei bei der Umsetzung und Kontrolle der neuen Regeln sowie der Durchführung der Amnestie für vergangene Cannabis-Vergehen.
Experten warnen zudem ausdrücklich vor einer Verharmlosung von Cannabis und vor den langfristigen Risiken des Konsums, die seelische, soziale und körperliche Folgen haben können. Vor allem hochpotentes Cannabis mit einem THC-Gehalt über 10 % erhöhe das Risiko für Psychosen erheblich. Darüber hinaus sei Cannabis oft eine Einstiegsdroge, die die Hemmschwelle für weitere härtere Drogen mindert. Bei täglichem Cannabis-Konsum steigt das Risiko einer Abhängigkeit auf bis zu 50 %.
Folgen „überhaupt nicht absehbar“
Kritik gibt es auch seitens Polizei, Ärztekammer, Justiz und Länder. Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident Sachsens, sprach nach der Abstimmung von einem historischen Fehler. Dass der Bundesrat das Gesetz zur Cannabislegalisierung passieren ließ, halte er „für eine der ganz großen Fehlentscheidungen, die ich in der Politik je erlebt habe.“ Die Folgen seien „überhaupt nicht absehbar.“ Er sei zudem „in großer Sorge um die Gesundheit in der Bevölkerung.“
Das Hauptargument der Bundesregierung für die Legalisierung ist die Hoffnung, den illegalen Handel mit Cannabis einzudämmen. Nach Angaben des Bundeskriminalamts entfielen im Jahr 2022 mehr als 60 % der Rauschgifthandel-Fälle auf diese Droge. Kritiker bezweifeln jedoch, dass sich dieser Wunsch erfüllt und gehen davon aus, dass der illegale Markt weiterhin attraktiv bleibt. Auch deshalb, weil es (noch) keine legalen Verkaufsstellen gibt. Sehr wahrscheinlich profitiert der Schwarzmarkt dadurch sogar von der Legalisierung.
Hemmschwelle für Jugendliche sinkt weiter nach unten
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ist alarmiert und weist darauf hin, dass regelmäßiger Cannabiskonsum bei Jugendlichen das Gehirn beeinflussen kann, was sich auf Aufmerksamkeit, Denkleistung, Intelligenz und soziale Fähigkeiten auswirken kann.
Dass durch das Cannabisgesetz auch Jugendlichen der Zugang zu Drogen erleichtert wird, sei höchst bedenklich. Untersuchungen aus Kanada, den USA und Uruguay, wo Cannabis teilweise legal ist, haben gezeigt, dass Jugendliche durch den leichteren Zugang zu Cannabis auch vermehrt konsumieren.
Justiz in Ausnahmezustand
Aufgrund des neuen Cannabisgesetzes steht die Justiz vor einer riesigen Arbeitsbelastung. Kürzlich hat der Richterbund die im Gesetz vorgesehene Regelung zur Straferlassung kritisiert. Sven Rebehn, der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, warnte davor, dass aufgrund der geplanten Amnestieregelung mehr als 100.000 Fälle von Cannabisdelikten erneut überprüft werden müssten.
Polizei und Gerichte betonen, dass es sehr schwierig sein wird, das Gesetz umzusetzen und sie vor einer noch nie dagewesenen Mehrbelastung stehen.
Fazit
Treten all diese Kritikpunkte ein, und das ist recht wahrscheinlich, dann hat sich die Bundesregierung mit dem kontroversen Cannabisgesetz selbst ins Knie geschossen. Und zwar ordentlich. So würden nicht nur die vermeintlich verheerenden Folgen eintreten, sondern auch Probleme, diese zu beheben. Man wird also früher oder später darüber diskutieren müssen, wie man das Gesetz ändert oder gar aufhebt. Und das wird bei so vielen Befürwortern schwierig bzw. vielleicht sogar unmöglich sein.