Über mehrere Wochen hinweg haben tausende Bauern in Berlin und vielen anderen Städten ihren Unmut kundgetan. Im Verlauf der Protestwochen kam es zu Traktorblockaden auf Straßen und Autobahnen. Strohballen wurden entzündet, was unter anderem den Einsatz der Feuerwehr erforderlich machte.
Für besondere Aufmerksamkeit sorgten zudem jene Bauern, die am Abend des 4. Januars Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Fährhafen Schlüttsiel daran hinderten, nach einem Urlaub auf der Hallig Hooge auf das Festland zurückzukehren. Ein Teil der Demonstranten drohte sogar, die Fähre zu stürmen, was dazu führte, dass die Fährüberfahrt mit Habeck abgesagt werden musste. Mehr als hundert Demonstranten versammelten sich laut Polizeiangaben am Fähranleger. Es kam zu Auseinandersetzungen und dem Einsatz von Pfefferspray. Die Staatsanwaltschaft Flensburg leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung ein.
Unterstützung erhalten die Bauern von Speditionen, die gegen die Erhöhung der Lkw-Maut protestieren. Und auch bei Anhängern rechtsextremer Akteure stoßen die Bauern mit ihren Protesten zunehmend auf Gehör. Letzteren wird vorgeworfen, die Proteste zu Gunsten ihrer eigenen Zwecke zu missbrauchen.
Warum protestieren so viele Bauern?
Die Bauern sind aufgebracht, wütend und teils sogar aggressiv. Doch was sind die Gründe dafür?
Im Dezember kündigte die Ampel-Regierung nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts umfassende Sparmaßnahmen an. Davon wäre auch die Landwirtschaft betroffen, da derzeitige Steuererleichterungen in Frage gestellt werden. Unter anderem sollte die Abschaffung von Vergünstigungen für Agrardiesel erfolgen. Zusätzlich verkündete die Regierung, land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge nicht mehr von der Kfz-Steuer zu befreien.
Gemäß den ursprünglichen Vorstellungen der Ampel-Koalition sollten durch die Aufhebung der Steuervergünstigungen für Agrardiesel etwa 440 Millionen Euro eingespart werden.
Die Kombination aus höheren Energiepreisen und Subventionskürzungen stößt den Bauern sauer auf. Die Maßnahmen würden zu einem Einbruch der Einkünfte bei den Landwirten um mindestens ein Drittel führen und das sei nicht hinnehmbar, so der Präsident des Deutschen Bauernverbands Joachim Rukwied.
Bauernverband hat enormen Einfluss
Der Deutsche Bauernverband weist eine historische Geschichte auf, ist bestens vernetzt und tief im ländlichen Raum verwurzelt. Agrarexperten betrachten den Verband als eine der einflussreichsten Interessenorganisationen, die über ein hohes Durchsetzungsvermögen verfügt und weitreichende Kontakte in die Politik und Wirtschaft hat. So fließen jährlich Subventionen in Milliardenhöhe in die deutsche Landwirtschaft.
Das Empfinden der Bauern ist jedoch ein anderes. Sie bezeichnen sich gerne als schwächstes Glied in der Kette. Kritik äußern sie insbesondere an der Regierung, aber auch gegenüber Dünger- und Pflanzenschutzunternehmen, die die Preise ihrer Produkte vorgeben und mächtigen Handelsverbänden, die Lebensmittelpreise drücken. Der Trend zu mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz sei eine ernstzunehmende Herausforderung. Die Zunahme an bürokratischen Belastungen führe zu Mehrarbeit und höheren Kosten.
Mehrheit der Bevölkerung hat Verständnis
Während zahlreiche Regierungsmitglieder nur wenig bzw. kein Verständnis für die Bauernproteste aufbringen wollen und immer mehr vor möglichen Radikalisierungen und einer Rechtsextremisierung im Zusammenhang mit den Aufständen warnen, zeigt sich die Mehrheit der deutschen Bevölkerung verständnisvoll. Die folgende Statistik veranschaulicht dies.
Bundesregierung lenkt ein
Die Bundesregierung reagiert auf die Proteste und deren teils drastischen Auswirkungen. Man hat angekündigt, die Steuervergünstigungen für Landwirtschafts- und Forstfahrzeuge beizubehalten und die Diesel-Subventionen nur schrittweise zu reduzieren. Trotzdem wird es keine weiteren Zugeständnisse von Seiten der Bundesregierung geben. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betonte, dass er nicht vor den jüngsten Protesten nachgeben werde. Er sieht den erreichten Kompromiss als positiv an und lobt die faire Vorgehensweise der Ampel-Koalition.
Diese Entwicklung bestätigt die Macht der Bauern einmal mehr und zeigt deren Einflussvermögen auf die Wirtschaft und Politik.